Sonntagvormittag in Bad Waldsee: Nur wenige Menschen drehen eine Spaziergang-Runde um den Stadtsee, denn es weht ein pfiffig-kalter Wind. Dafür streben viele Menschen – Kurgäste, Einheimische, darunter eine erkleckliche Anzahl Michelwinnader – ins Haus am See und füllen schnell den großen Scala-Saal. Es hat sich herumgesprochen, dass die Michelwinnader Musikkapelle, die seit dem Weihnachtskonzert ohne Dirigenten auskommen musste, bei ihrem ersten Frühschoppenkonzert 2016 ihre neue musikalische Leiterin vorstellen werde. Bekanntlich hatte der langjährige Dirigent Gerald Auer schon immer Sommer 2015 erklärt, dass er sein Dirigentenamt in Michelwinnaden aufgeben werde.
Für den 1. Vorsitzenden des Musikvereins „Concordia“ Johannes Hepp begann die Zeit des Suchens. „Das war eine zähe Sache“, erklärte er und strahlte jetzt über das ganze Gesicht, denn die Nachfolgesuche konnte mit der ebenso strahlenden Karin Michele-Klösges endlich beendet werden. Im Januar überzeugte Karin Michele-Klösges beim Probedirigat die Musikerschar mit ihrem Können und gewann sogleich die Herzen der Musikanten. Sie befand sich damals im neunten Schwangerschaftsmonat und ist inzwischen zum zweiten Mal Mutter geworden. Dass sie der Michelwinnader Kapelle die Zusage erteilen konnte, hängt von etlichen glücklichen Umständen ab. Vor allem der Dienstagabend als Probentag passt in die familiären Planungen und vor allem auch für die Michelwinnader Musiker. Die 37-jährige Karin Michele-Klösges hatte ihre Kindheit und Jugendzeit in Ailingen verbracht, fand ganz früh den Weg zur Blasmusik nach umfangreicher musikalischer Ausbildung an Klarinette, Saxofon, Querflöte.
An der Musikschule Markdorf ergänzte sie ihre Ausbildung durch Gehörbildung und am Klavier. Bei Dirigentenlehrgängen hat sie sich fortgebildet und schon als 26-jährige übernahm sie das Dirigentenamt beim Musikverein Alttann. Es folgten Dirigate bei der Kapelle von Ebenweiler und zuletzt bis Dezember 2015 bei der Musikkapelle Schmalegg.
Auch ihr Mann, den sie über das blasmusikalische Engagement kennen gelernt hat, ist aktiver Musiker bei der Musikkapelle in Schlier. Wohnhaft ist das Ehepaar in Ravensburg. Bei verschiedenen Vereinen und privat erteilt Karin Michele-Klösges Unterricht für Klarinette und Saxofon. Vor zwei Wochen übernahm sie die Probenarbeit bei der „Concordia“ und trägt seither auch die schmucke Michelwinnader Musikertracht.
Bei ihrem ersten Auftritt in Bad Waldsee war sie kein bisschen aufgeregt. Souverän und gekonnt gab sie die Einsätze, die Tempiwechsel und die Taktfolgen vor.
Ausgesucht für das einstündige Frühschoppenkonzert hatte sie gefällige Stücke aus dem Repertoire der Kapelle. Es waren insgesamt zehn, bestehend aus einem Mix traditioneller, konzertanter und moderner Werke. Kurzweilig, clever und gekonnt moderierten die zwei Jungmusikanten Caroline Käppeler und Matthias Preiß das Frühschoppenkonzert.
Eröffnet wurde die Konzertfolge mit dem Marsch „Salemonia“ von Kurt Gäble, der diesen flotten Marsch eigens für das Salemer Schlossseefest komponiert hatte. Mit „Herzblut“ folgte eine Polka von Norbert Gälle, der bei Blasmusikfreunden mit seinen schönen Melodien viele Bewunderer gefunden hat, vor allem durch das Stück „Böhmischer Traum“. Gleich drei Arrangements von Siegfried Rundel wurden musikalisch meisterlich präsentiert, so der „Fliegermarsch“ von Hermann Dostal, die Polka „Ein Denkmal für die Blasmusik“, ursprünglich für die „Scherzachtaler Blasmusik“ von Michael Kuhn komponiert und die Polka „Morgenblüten“, verfasst vom „König der Mährischen Polka“ Antonin Zváḉek.
Die rockige Seite wurde mit eingängigen Melodienpassagen und markanten Basslinien beim von SteveMcMillan verfassten „Sommernight-Rock“ aufgezeigt. Spontanen, anerkennenden Beifall gab es für die Solo-Parts von Daniel Schmid, der bei „Bésamo Mucho“ (Küss mich ganz fest) des mexikanischen Komponisten Consuelo Velázques auf dem Flügelhorn brillierte und für die beiden Trompeten-Solisten Franz und Franziska Schwägler, die bei der Interpretation von „Abba Gold“ – einem Medley mit vier Titeln der schwedischen Popgruppe, arrangiert von Ron Sebregts – glänzten.
Thijs Ouds Arrangement zu „Everybody needs somebody“, weltbekannt geworden durch die „Blues Brothers“ wurde durch alle Register klangvoll umgesetzt wie auch das Schlussstück „Abel Tasman“ (Alexander Pfluger), bei dem die Zuhörer musikalisch auf eine stürmische Fahrt auf hoher See bis nach Tasmanien mitgenommen wurden. Dass dieses Frühschoppenkonzert so nicht beendet werden konnte, war klar. Stürmisch forderten die begeisterten Konzertbesucher Zugaben, die dann auch mit „Sag Dankeschön mit roten Rosen“ und „Wir Musikanten“ gewährt wurden. Für die „Concordia“ und ihre neue Dirigentin gab es großen, anhaltenden Applaus. Es war ein verheißungsvoller Auftakt für ein harmonisches, musikalisches Zusammenwirken.
Text und Fotocollage von Rudi Martin (erschienen am 06.03.2016 in der Bildschirmzeitung Der Waldseer)